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Betroffene

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Erfahrungen eines Ehepartners

Rückblick

Lass mich nicht allein! Geh nicht weg ! Ich habe Angst !

Diese Worte von meiner Frau brennen mir heute noch auf meiner Seele.

Diese Worte von einer Frau - meiner Frau.

Meine Frau - selbstständig, selbstbewusst, beruflich erfolgreich, unabhängig. Meine Frau - in führender Position in einer berufsbildenden Schule, zuständig für den Bereich der Auszubildenden in Banken und Sparkassen, Mitglied in Organisationen und Prüfungsausschüssen ihres Fachbereichs, Fachleiterin am Studienseminar für die Sekundarstufe II, Fachbuchautorin.

Nun diese Situation etwa 2 Jahre nach der facharztlichen Diagnose ; Hirnleistungsstörungen. Die Diagnose, die sie veranlasste im Alter von 62 Jahren um sofortige Entlassung aus dem Schuldienst zu bitten. Sie, deren Ziel es immer gewesen war, das Pensionsalter zu erreichen und dann mit dem 40jährigen Dienstjubiläum auszuscheiden.

Die ersten Jahre, bei bekannter Erkrankung, verliefen für meine Frau und mich noch recht harmonisch und glücklich. Ich konnte mit ihr noch Reisen unternehmen, Verwandte und Bekannte besuchen, an gesellschaftlichen Veranstaltungen meiner studentischen Verbindung teilnehmen.

Die Erkrankung entwickelte sich, für mich sichtbar, weiter. Im September 1998 kam es dann, bei einer Autotour durch Nordspanien, zu einem Oberschenkelhalsbruch bei meiner Frau. Mit einem Ambulanzflugzeug des ADAC wurde sie von Santander zur Operation nach Düsseldorf gebracht. Ich folgte ihr einen Tag später mit dem Linienflug.

Die bei der Operation zum Einbringen der Prothese angewandte Narkose brachte eine wesentliche Verschlechterung ihres bereits eingeschränkten Sprachvermögens. Erst in der Rehaklinik erlernte sie später wieder das Laufen. In der Folgezeit wurde das Krankheitsbild immer ausgeprägter. Störungen des Tag - Nacht - Rhythmus, Unruhezustände und Weglauftendenz stellten sich ein. Ostern 2000 musste sie zur Beobachtung zur medizinischen Neueinstellung, wegen zunehmender Agressivität, in das Landeskrankenhaus Düsseldorf eingewiesen werden.

Hier wurde mir die bittere Erkenntnis vermittelt, das ich meine Frau, auch zum Schutz meiner eigenen Gesundheit, in einem Heim unterbringen müsse. Bei der Suche nach einem Pflegeheim mit geschlossenem Bereich war nicht viel Auswahl möglich.

Ich bin froh, das ich mich damals spontan für das Dorotheenheim (Evangelisches Altenkrankenheim ) in Hilden entschieden habe, heute Graf Recke Seniorenzentrum / Haus Ahorn. Das Haus hinterließ von der Ausstattung und Einrichtung keinen guten Eindruck und ist mit dem heutigen Seniorenzentrum in keiner Weise zu vergleichen. Es bot aber einen großen Vorteil; Von allen Bewohnerzimmern der Wohnbereiche 3 bis 6 waren sowohl der grosse geschützte Garten als auch alle Bereiche des Erdgeschosses, Speisesaal, Andachtsraum, Eingangshalle, für die noch mobilen Bewohner erreichbar.

Meine Frau war noch mobil, oder wieder mobil. Am 02. August 2000 zog meine Frau kurz vor ihrem 65. Geburtstag in das Dorotheenheim ein. Sie war in dem Glauben, nochmal in eine Rehaklinik gekommen zu sein. In der Folgezeit, ich habe sie bis zu ihrem Tod im Frühjahr 2005 nahezu täglich besucht, merkte ich, das ich hinsichtlich des Heims die richtige Entscheidung getroffen hatte. Die hingebungsvolle Pflege, die hier durchgeführt wurde, hat mich immer wieder tief beeindruckt. Hier waren Menschen im Sinne christlicher Nächstenliebe tätig.

Kurze Zeit später trat die damalige Heimleitung mit der Bitte an mich heran, im Angehörigenbeirat des Hauses mitzuarbeiten. Ich bin dieser Bitte gerne gefolgt und habe diesem Gremium bis zum Tode meiner Frau angehört.

Bei meinem täglichen Besuchen im Doro habe ich Kontakte zu vielen Angehörigen, Bewohnern und Pflegekräften knüpfen können. Gute Beziehungen und persönliche Freundschaften sind entstanden und reichen teilweise bis in die heutigen Tage.

Über den Angehörigenbeirat fand ich schnell Kontakt zum AAT ( Alzheimer- Angehörigen -Treff) und lernte hier eine Frau kennen, die sich die Kontaktpflege zu ratsuchenden Angehörigen als Lebensaufgabe gesetzt hatte, Frau Hedwig Braun. Ich war jetzt regelmäßiger Teilnehmer an den AAT Terminen und bekam auch in dieser Gruppe schnell Anschluss an den Kreis der Regelteilnehmer. Schnell wurde uns klar, das wir in der Gruppe eine Aufgabe nicht würden lösen können, das persönliche Beratungsgespräch mit den teilweise verzweifelten, ratsuchenden Angehörigen.

Das war dann die Geburtsstunde des, Demenz - Info - Centers. Schnell gelang es Frau Braun in ihrem großen Bekanntenkreis weitere Mitstreiter zu finden und so den Kreis der " Dicken " auf ein rundes Dutzend zu erweitern.

Über die Chronologische Entwicklung des Demenz - Info - Centers und seine heutigen vielfachen Aktivitäten möge von kompetenter Seite an andrer Stelle berichtet werden.

Das lang angestrebte Ziel, der Gruppe zum 10 jährigen Jubiläum eine eigene Rechtsform zu geben, ist nun erreicht. Meine eigener Einsatz ist in den letzten Jahren, bedingt durch Krankheit, sehr zurückgegangen. Aber die Gruppe trägt mich und erträgt mich.

Mein Wunsch für die"Dicken ", jetzt unterstützt durch den Nachwuchs, das Demenz - Info - Center zum Wohle der Kranken und pflegenden Angehörigen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

 

 


Beobachtungen einer Tochter

Die Alzheimer Krankheit meines Vaters habe ich als Abschied in vielen kleinen Schritten empfunden.

Sehr lebhaft habe ich aus der Zeit zwischen der Diagnose und dem Tod meines Vaters in Erinnerung, dass ich immer wieder das dringende Bedürfnis hatte, ihn zu sehen, um irgendwie mit den vielen kleinen und großen Verlusten an Fähigkeiten und Persönlichkeit, Schritt halten zu können. Das war durch die Entfernung nicht so einfach. Durch die räumliche Distanz nahm ich wahrscheinlich mit jedem Besuch bei meinen Eltern die Veränderungen intensiver wahr, als die anderen Mitglieder meiner Familie, die meinen Vater öfter sahen.

Es war schmerzhaft zu sehen, wie aus meinem geschickten und immer auf Selbstbestimmung bedachten Vater, allmählich ein hilfloser Mensch wurde, der sich bei immer mehr Alltagsverrichtungen helfen lassen musste. Es hieß immer wieder Abschied nehmen von einem Teil meines Vaters.

Beinahe unerträglich war die Tatsache, das mein Vater recht früh seine aktive Sprache verloren hat. Er wusste noch sehr lange, was er sagen wollte. Wie oft hat er sich damit gequält, sich verständlich zu machen, wie oft war er wütend oder tieftraurig, weil er die Worte nicht fand die er suchte, oder wir einfach nicht begriffen, was er uns mitteilen wollte. In diesen Situationen habe ich meine Mutter sehr bewundert, denn sie hatte ein unglaubliches Einfühlungsvermögen und kannte ihn und seine Gedankenwelt so gut, dass sie oft erspüren konnte, was mein Vater sagen wollte.

Schrecklich fand ich auch, dass ihm seine Krankheit sehr lange bewusst war und ich glaube, er litt unendlich darunter, dass er nichts dagegen tun konnte und ihr so sehr ausgeliefert war.

Es gab auch Zeiten in denen ich mir fast mehr Sorgen um meine Mutter machte als um meinen Vater. Denn als die Krankheit schon recht weit fortgeschritten war, machte sie auf mich den Eindruck, dass sie weit über ihre Kräfte lebte. Der Balanceakt zwischen der Sorge und Verantwortung für meinen Vater, ihren eigenen Bedürfnissen und ihrem Beruf, verlangte ihr enorm viel Kraft ab. Konsequent ging sie ihren Weg so, wie sie ihn für richtig hielt und wie sie ihn für sich verantworten konnte. Erstaunlicherweise hatte die Krankheit auch positive Facetten. Mein Vater war ein Mensch, der seine Gefühle nicht gut zeigen konnte. Dies änderte sich im Verlauf der Krankheit. Plötzlich wurde aus meinem eher distanzierten Vater ein herzlicher Mensch, der seine Freude ganz offen zum Audruck brachte.

Die letzten Wochen seines Lebens verbrachte mein Vater in einem Pflegeheim. Ich fand ihn dort hilflos in jedem Sinne entblößt an. Er hatte fast alle seine Fähigkeiten verloren, selbst das Schlucken war eine schwierige Tätigkeit. Ich glaube, dass diese Situation so ungefähr das Schlimmste war, was er sich als gesunder Mensch hätte vorstellen können. Sehr gut in Erinnerung ist mir heute noch, wie sich mein Vater bei meinem letzten Besuch vor seinem Tod noch einmal aufrichtete und versuchte, uns noch etwas mitzuteilen. Vielleicht spürte er, dass er sterben würde und wollte sich von uns verabschieden.

Den Tod meines Vaters habe ich damals als Erlösung für ihn empfunden, von seiner Person hatte ich mich in den Jahren davor verabschiedet. Endlich musste er sich nicht mehr quälen.

Sehr dankbar bin ich meiner Mutter, dass sie mir geraten hat, meinen Vater aufgebahrt im Bestattungsinstitut noch ein letzes Mal zu sehen. Friedlich, mit entspanntem Gesichtsausdruck lag er dort. Diese Bild ist mir geblieben und es überdeckt ein wenig den gequälten Gesichtsausdruck, den er in seinen letzten Lebensjahren so oft gezeigt hat.

Auch heute noch bin ich froh für meinen Vater, dass er zum Schluss recht schnell sterben konnte und sich nicht mehr länger quälen musste. Allerdings mischt sich manchmal in dieses Gefühl Wut und Enttäuschung darüber, dass er schon so früh sterben musste. Er wurde nur 62 Jahre alt. Es wäre so schön gewesen, wenn er alle seine Enkel kennengelernt hätte und mit meiner Mutter noch all die Dinge hätte machen können, von denen die beiden geträumt haben. Und manchmal würde ich gerne aus meiner heutigen Perspektive mit ihm über viele Dinge sprechen, seine Meinung hören und seinen Rat einholen.

Zum Schluss möchte ich noch die Angst erwähnen, dass meine Brüder oder ich die Krankheit geerbt haben könnten, und dass wir selbst betroffen sein könnten. Ich bin sehr gespannt, wie wir damit umgehen werden, da wir allmählich in das Alter kommen, in dem sich bei meinem Vater die ersten Symptome zeigten.

 

 


Gedanken in Prosa

Wenn ich dement werde,
soll mein Leben einfach,
übersichtlich und voraussichtlich sein.
Und so sein, das ich das gleiche mache,
jeden Tag zur gleichen Zeit,
auch wenn es dauert bis ich begreife.

Wenn ich dement werde,
musst du ruhig zu mir sprechen,
damit ich keine Angst bekomme und nicht das Gefühl kriege,
das du böse bist mit mir.
Du sollst mir immer erzählen, was du tust.
Du sollst mich wählen lassen,
respektieren was ich wähle.

Wenn ich dement werde,
brauche ich und bekomme ich viel mehr Schlaf,
als ich eigentlich will.
Und wenn ich schlafe,
habe ich immer Angst,
dass ich nicht mehr wach werde.

Wenn ich dement werde und ich bin eigensinnig und boshaft und habe schlechte Laune dann bin ich das,
weil ich mich so machtlos und hilflos fühle.
Das hasse ich.

Und wenn ich dement werde und Panik kriege,
dann nur weil ich an zwei Dinge gleichzeitig denken soll.
Halte meine Hand fest und hilf mir mich auf meine Sache zu konzentrieren.

Wenn ich dement werde,
bin ich leicht zu beruhigen, nicht mit Worten,
sondern in dem du ganz ruhig neben mir sitzt und meine Hand ganz fest hälst.

Wenn ich dement werde,
verstehe ich nicht das abstrakte, schwach formulierte,
Ich will sehen, spüren und begreifen, wovon du sprichst.

Wenn ich dement werde,
habe ich das Gefühl, dass andere mich schwer verstehen und genauso ist es schwer für mich, andere zu verstehen.
Mache nur wenige Worte und einfache Sätze und versuche herauszufinden, ob ich alles verstanden habe.
Sieh mich an, berühre mich und lache, bevor du mit mir sprichst.
Vergiss nicht das ich oft vergesse.

Wenn ich dement werde,
möchte ich gute Musik hören von damals, aber ich habe vergessen welche.
Lass uns zusammen hören, ich vermisse das.
Ich mag auch gerne singen,
aber nicht alleine.

Wenn ich dement werde und sage " nach Hause " dann antworte mir ernsthaft, damit ich merke, dass du weisst, das ich mich im Moment sehr unsicher fühle.

Wenn ich dement werde und schimpfe, dann gehe einen Schritt zurück von mir, so dass ich spüre, dass ich immer noch Eindruck machen kann.

( Verfasser und Quelle unbekannt )

 

 


Demenz

Was ist mit mir los, ich kann nicht mehr denken,
dabei möchte ich noch so viel Liebe verschenken;
doch ich weiß nicht an wen, ich kenne mich selbst kaum,
bin stets auf der Suche nach Vertrautem im Raum.

Wer ist dieser Mann, der sagt, er wäre mein Sohn?
Haltet ihr mich für blöd, ist es soweit schon?
Ich muss zur Toilette, doch wie stelle ich´s an,
ob mir dabei wohl jemand helfen kann ?

Ich weiß nicht, durch welche Tür soll ich gehen,
alles sieht gleich aus, kann keinen Unterschied sehen.
Wo sind meine Eltern, ich muss für sie sorgen,
wieso sagt diese Frau, darum kümmern wir uns morgen?

Ich muss doch zu ihnen, und zwar auf der Stelle,
ich werde gleich sauer und mach hier ne Welle !
Wo bin ich, was mach ich, wo gehör ich bloß hin ?
Es macht mich verrückt, dass ich nicht weiss, wer ich bin !

Ich muss jetzt zur Schule, hab gar keine Zeit,
warum hält man mich fest, das geht mir zu weit !
Ich spür keinen Hunger, doch man gibt mir zu essen,
ich hab solche Angst, ich könnte alles vergessen.

In meinem Innern toben tausende von Gefühlen,
ich kann sie nicht deuten, sitze zwischen den Stühlen !
Ich bin so traurig und ich kann es nicht sagen,
niemand versteht mich wen kann ich nur fragen ?

Ich spüre Schmerzen, doch wo kommen sie her ?
All diese Dinge machen das Leben so schwer !

Martina Ruehl